Das Wandbild "Frieden von Koblenz"

Wenn Sie sich nach Norden umsehen, fällt Ihnen natürlich das große Wandbild des Künstlers Anton Bäcker auf. Es zeigt eine geschichtliche Begebenheit aus der Frankenzeit, die sich in Koblenz zugetragen hat.

Koblenz war damals mehrfach Austragungsort wichtiger  Begegnungen der Erben Karls des Großen. Die meisten Mitteleuropäer kennen vermutlich auch heute noch Karl den Großen (K.d.G.) und können ihn auch vielleicht zeitlich einordnen, weil man sich das Datum seiner Krönung zum Kaiser leicht merken kann: 800 n. Chr. Wenn Sie jetzt noch bedenken, dass die Römer etwa um 450 die Herrschaft am Rhein schrittweise an die Franken abgeben mussten, dann können Sie das Koblenzer Treffen im Jahr 860 zeitlich besser zuordnen.

K.d.G. hatte ab 768, nach Jahrhunderten des Niedergangs und der Unsicherheit, Schritt für Schritt ein starkes, einheitliches Reich begründet, das weite Teile Europas einschloss. Er hatte mit mehreren Frauen zahlreiche Kinder. Uns interessiert hier einer seiner Söhne, sein Nachfolger Ludwig der Fromme (L.d.F.), weil er für Koblenz einige Bedeutung besitzt und 813 neben seinem Vater bereits zum Mitkaiser gesalbt wurde. Ab 814 tritt er das alleinige Erbe an. Auch seine Hauptpfalz, sein wichtigster Aufenthaltsort, war Aachen. Ludwig der Fromme hatte vier Söhne: Lothar I, Ludwig (der Deutsche), Pippin und (aus einer 2. Ehe) Karl (der Kahle).

Bereits 817 hatte er für den Fall seines Todes sein Reich geteilt und seinen ältesten Sohn Lothar zum Mitkaiser gekrönt. Die jüngeren Söhne Ludwig und Pippin erhielten Bayern bzw. Aquitanien als Herrschaftsgebiete. Nach der Geburt des Sohnes Karl war dessen Mutter bestrebt, ihrem Sohn ebenfalls einen Reichsteil zu sichern. Daher kam es zu Streitigkeiten, in deren Verlauf L.d.F. 833 zeitweise auf Betreiben seiner Söhne sogar abgesetzt wurde. Doch es gelang ihm, seine Herrschaft wieder zu sichern und die Einheit des Frankenreichs aufrechtzuerhalten. L. d.F. starb 840 nach einem Feldzug gegen einen seiner Söhne, Ludwig den Deutschen, (L.d.D.) in der Nähe von Ingelheim am Rhein. Diesen Namen, Ludwig der Deutsche, finden Sie auf dem Wandbild.

Nach dem Tod des Kaisers versuchte Lothar I. seine Herrschaft über das gesamte Reich durchzusetzen. Er erlitt aber gegen seine Brüder, Ludwig d. Deutsche und Karl der Kahle, bei Fontenoy eine Niederlage (am 25. Juni 841). Er musste danach mit den Brüdern 843 den Vertrag von Verdun schließen, in dem das Frankenreich geteilt wurde. Lothar I. erhielt die Reichsteile in der Mitte, von Italien über Burgund bis an die Nordsee, er blieb auch Kaiser.  Ludwig d. Deutsche erhielt sein Teilreich im Osten (Ostfrankenreich), und Karl der Kahle (K.d.K.)  übernahm den westlichen Teil des Frankenreichs.

Als Kaiser Lothar I. 855 in Prüm/Eifel starb, hinterließ er den nördlichen Teil seines Reichs (in der Folge als Lotharingien bekannt)  seinem Sohn Lothar II. Der älteste Sohn Lothars I., Ludwig II., erbte Italien und das Kaisertum. Im Vertrag von Mersen (Meerssen/bei Maastricht gelegen) wird dann im Jahr 870 Lotharingien wiederum an Karl den Kahlen und Ludwig den Deutschen aufgeteilt. Übrigens: Die Beinamen „der Kahle“ und  „der Deutsche“ sind nicht zeitgenössisch, sondern wurden den Königen später beigefügt, um sie von anderen Königen mit gleichem Namen zu unterscheiden. Damit haben wir alle drei Könige auf unserem Bild zugeordnet, zwei sind Enkel und einer Urenkel Karls des Großen.
Aus dem bisherigen Text wird Ihnen die schwierige Situation im Frankenreich nach dem Tod K.d.G. bewusst geworden sein. Häufige Streitigkeiten der Söhne und Enkel um die Teile des großen Reichs prägten die nächsten Jahrzehnte. Diese Kämpfe hörten auch nach dem Vertrag von Verdun 843 nicht auf.
Bereits vor dem Vertrag von Verdun hatten Verhandlungen stattgefunden, die zum Teil in Koblenz, in der Basilika von St. Kastor, vor den Toren der römischen Festung, stattfanden. Warum in Koblenz und nicht in Andernach oder Boppard, ebenfalls befestigten Orte am Mittelrhein, ist eine Frage, die uns noch beschäftigen wird, die wir aber leider nicht schlüssig beantworten können.

In Verdun wurde an der Idee der Reichseinheit festgehalten, das Reich sollte von der Brüdergemeinschaft regiert werden. Obwohl die Realität bereits eine ganz andere war, wollte wohl keiner der Könige an dieser Idee der Gemeinschaft rütteln. Die Teilungen sollten das Gesamtreich nicht zerstören, sondern nur dessen Verwaltung unter den Brüdern und in ihren jeweiligen Machtbereich einheitlich organisieren - so der fromme Wunsch!

Damit haben wir die Teilungsverträge, die die Geschichte und das Gesicht Europas maßgeblich beeinflusst haben, grob umrissen. Aber was war nun mit Koblenz im Jahr 860? Obwohl die Geschichte des Frankenreichs nach L. d.F. eine Geschichte ständiger Konflikte zwischen den Erben war, haben die Brüder immer wieder versucht und mit Eiden versprochen, die Reichseinheit zu erhalten. Dem Ereignis von 860 war ein Versuch Ludwigs des Deutschen vorausgegangen, das westliche Frankenreich zu erobern (858/859).  Dieser Versuch ist aber gescheitert. In Koblenz sollten die verfeindeten Brüder Ludwig und Karl wieder ausgesöhnt werden. Lothar II. war die treibende Kraft bei diesen Bemühungen. In Koblenz  sollten Eintracht und Freundschaft wieder hergestellt und durch Eide bekräftigt werden. In den Quellen ist von Pax, Caritas und Concordia die Rede. Koblenz war also kein Teilungstreffen, sondern ein Versöhnungstreffen. Daher werden die dort getroffenen Absprachen und die Verträge in der Literatur auch als "Frieden von Koblenz" bezeichnet.

Die drei Könige waren nicht alleine in Koblenz, sondern jeweils in Begleitung hochrangiger Delegationen von weltlichen und geistlichen Würdenträgern. So waren aus dem Ostfrankenreich die Bischöfe von Hildesheim, Konstanz, Minden, Münster und Speyer; aus dem Westfrankenreich der Erzbischof von Reims und der Bischof von Auxerre; aus dem Mittelreich Lothars II. der Erzbischof von Köln sowie die Bischöfe von  Lüttich, Metz und Verdun zugegen. Lothar und Ludwig leisteten ihre Eide in (alt)hochdeutscher Sprache, Karl in (Alt)französisch. Man geht davon aus, dass in Koblenz im 9. Jahrhundert (oder schon  früher) Fränkisch/Deutsch (Althochdeutsch) gesprochen wurde, daher die Bezeichnung Cobelenze auf unserem Wandbild.

Zuletzt wollen wir nochmals die Frage aufgreifen, warum fand dieses außerordentliche Treffen in Koblenz statt?  Wir hatten schon darauf hingewiesen, dass es insbesondere Lothar war, der dieses Treffen favorisierte. Koblenz lag zwar in seinem Einflussbereich, war aber auch Grenzort zum Reich Ludwig des Deutschen. Damit also für zwei der Teilnehmer ein politisch akzeptabler Ort.
Koblenz hatte auch mit dem Rhein eine verkehrstechnisch sehr günstige Lage an der Nord-Südachse. Auch die Mosel war ein beachtlicher Verkehrsweg. Koblenz war also sowohl auf dem Wasser als auch auf den alten Römerstraßen gut erreichbar.
Obwohl keine herausragende Pfalz wie Frankfurt, Worms oder Ingelheim, muss unsere Stadt in dieser Zeit doch, sowohl in der römischen Festung als auch außerhalb, im Bereich von St. Kastor, über profane und kirchliche Räumlichkeiten verfügt haben, die für ein solch wichtiges Treffen - über eine Woche lang - geeignet waren. Immerhin wurde hier 860 mit Pfingsten ein hoher kirchlicher Feiertag gemeinsam begangen. Die Archäologen können uns in Koblenz diese repräsentativen Räumlichkeiten leider nicht nachweisen, selbst der eigentliche Königshof mit seinen Nebengebäuden - über den schon Gregor von Tours 585 schreibt - ist nicht sicher zu lokalisieren. Die schriftlichen Quellen sprechen  von einem großen Ereignis im Jahr 860. Wir können uns unsere Stadt in der damaligen Zeit leider nur ausmalen.
Koblenz hat danach vermutlich nie mehr ein Treffen von solcher Bedeutung erlebt. Wir wollen dieses Ereignis  und diese Zeit mit unserem Wandbild lebendig halten.

Danke für Ihr Interesse!


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